Mords-Shorts

Wenn ich mich nicht völlig irre… Hey, ich hab nicht gesagt, ich sei völlig irre. Das müsste bewiesen werden. Also, dann wäre heute doch der Tag der Deutschen Beinfreiheit. Oder etwas in der Art. Also zur Erinnerung, dass alle Mauern guten Geschmacks nieder gerissen wurden und karierte, oberhalb des Knies aufhörende Shorts ab sofort überall getragen werden dürfen. Natürlich nur, wenn sie mit Socken in Sandalen kombiniert werden und die Haut dazwischen das zarte Bleich von schimmelndem Käse aufweist. Ja, da kräuseln sich die Nackenhaare. Aber was ist schon guter Geschmack. Wer bestimmt, worüber man sich aufregen darf und worüber nicht? Ich nehme mir zwar die Freiheiten, über optische Verbrechen zu mosern, die mich anspringen und mir Lanzen des Schmerzes via Seh- in die Gehirnnerven treiben. Aber das ist ja nur meine Meinung. Offensichtlich gibt es genügend Menschen, die in die Frisur geschobene Sonnenbrillen (auch bei Scheisswetter) voll in Ordnung finden. Typische Ausrede: „Ich hab grade keinen Haarreif dabei“.

Nun mal ehrlich, wie viele haben sich eben wieder erkannt? Wusst ich es doch. Ist nicht jeder von uns ab und zu etwas blond? Ist nicht jeder von uns ab und zu etwas neben den Schuhen? Sollten einige nicht öfters neben den Schuhen sein, anstatt mit den hässlichen Tretern das Stadtbild zu verwüsten? Wir alle sind doch gelegentlich nicht ganz dort, wo wir sein wollen. Mir kam es zumindest so vor, als ob ich seit Jahren auf einer Bank sitze und die Trends auf Inlinern an mir vorbeirollen und ich es jedesmal verpasse, aufzuspringen. Oder ich sprang zu früh, war der Zeit voraus und bevor der Hype losging und ich hätte Vorreiter sein können, tja, da verleidete es mir schon. Ich weiss, wie es ist, als erster an Riesenraves mit Kilt aufzutauchen und deswegen cool zu sein. Ich weiss auch, wie es ist, nicht jedes Weekend in Clubs zu hängen, weil ich Schlaf cool finde. Ende Szene.

Ich weiss, wie es ist, einen Gothic verbal in düsterste Tiefen zu torpedieren. Ich weiss auch, wie es ist, mit einem dunkelgrauen T-Shirt an einer Goth-Party doch noch als Aussenstehender aufzufallen. Für In-Clubs bin ich nicht schleimig genug, um mit Müeslifressern rumzuhängen ist mir deren Nahrung zu schleimig. Meine Inliner damals habe ich vor der Massenhysterie verkauft, weil man nirgends gescheit einen fahren lassen konnte. So in der Zusammenfassung gesehen gehöre ich eigentlich nirgends dazu. Entweder interessiert mich zu viel oder nichts richtig. Da hilft nur noch eines. In irgendeiner Kiste habe ich noch karierte Shorts. Ich gebe mich einfach als Deutscher aus. Nun gut, vielleicht bin ich doch irre. Aber das sollen andere entscheiden. Vielleicht kann ich ja das richtig gut.

Aktuell im Ohr: Eighth Wonder – I’m Not Scared