Bekennerschreiben

Ich habe keine Leiche im Keller, ich habe keine Leiche in der Tiefkühltruhe und ich habe keine Leiche auf dem Dachboden. Aber ich gestehe, temporäre Aussetzer bei der Musikauswahl zu haben. Irgendeine Kreatur, die findet, alles was ich höre ist Müll, kann sich von mir aus im nächsten passenden Eimer ertränken, denn Geschmäcker sind nun mal verschieden und ich will mich nicht für gehypten Einheitsbrei begeistern müssen. Wenn ich Sülze will, dann gehe ich in die Metzgerei. Ich habe einen gewissen eigenen Stil, aber eben, ab und zu geht es auch mit mir durch und es wird peinlich, Siehe unten. Wenn ich aber weichgespülten Allerweltsmist will, dann schalte ich zwischen den Klingeltonwerbungen auf MTV oder VIVA, die den ganzen Tag den identischen Murks spielen. Nachts hingegen, da gibt es plötzlich anderen Sound.

Hey, Musiksender, spielt das zur Abwechslung unter Tags. Vielleicht reisst sich dann ein stepfordisiertes Vorstadtküken die Kleider vom… ähm… die Britney-Poster von der Wand und tackert Apocalyptica an dessen Stelle. Oder kauft sich eine Mista-Lava-Lava-Lampe und hört FusionJazz. Whatever. Vielfalt. Viel Falten. Also ruhig auch mal ältere Sachen zeigen. Älter als die Neunziger. Und steht auch zu den peinlichen Ohrwürmern, die ihr so habt. Das tu ich auch, ich bekenne mich. Es war schon immer etwas schräger, einen exklusiveren Geschmack zu haben. Allerdings zieht das einen Nachteil mit sich, denn wenn man querbeet hört (heisst wohl heute Crosslistener), dann gehört man nirgends richtig dazu. Eine Gothic-Website hat mein Userprofil abgelehnt, weil ich zu wenig geschminkt bin auf dem Bild und deswegen nicht eindeutig der Szene zugehörig wirke. Da reicht eine schwarze Seele wohl auch schon nicht mehr, hm?

Apropos Szene: H&M ist recht gut von kleinen Szenies frequentiert, denn hier gibt es zu guten Preisen gute Qualität. Sorry, wenn ich grad huste, aber ich bin noch etwas vergrippt. Eine gute Seele hat mir deswegen so kleine Kapseln geschickt, die man schluckt und die dann von innen heraus wirken, mit dem Vermerk, nach einer halben Stunde würde man riechen wie ein Hustenbonbon. Sie hat mir allerdings nicht gesagt, dass sich damit auch so ein „Lutsch-mich-Feeling“ einstellt. Aber zurück zu H&M. Die haben da immer wieder mal wirklich coole Sachen. Nur waschen darf man sie nicht. Zumindest nicht zu oft. Aber an einem ganz normalen Einkaufstag einfach reinstellen und das Tussenmeeting mitverfolgen hat auch was. Als männlicher Besucher (ohne weibliche Begleitung) nur nicht zu nahe an der Unterwäscheabteilung, das könnte schlechtes Licht werfen.

Was mir dabei aufgefallen ist, früher wollten alle Cindy Crawford nacheifern (kennt die heute noch jemand) und einen Schönheitsfleck haben. Wir sagten ursprünglich ganz banal Muttermal, aber das ist wohl nicht in. Schönheitsflecken sind auch nicht mehr in, weil nicht drin genug, denn heute lässt man sich an besagter Oberlippenstelle lieber piercen. Wenn man das gross genug machen würde, könnte das Loch bei MacDoof zugleich als Eingang für den Strohhalm dienen. Aber praktisch denkt wieder keiner. Nehmen die Verkäuferinnen in diesen Läden eigentlich Valium oder sehen sie nur so aus? Plötzlich entsteht neben mir eine extreme Verlängerung der Warteschlange, weil sich nämlich vier Frischbeflügelte (erste Periode) unterhalten und sich alle Umkleidewilligen hinter diesen anstellen, statt an der richtigen Schlange. Eigentlich hätte ich an dieser Stelle auch gerne ein paar Gesprächsmuster zum besten gegeben, allerdings hörte sich das alles zusammen an, wie wenn man mit ein paar Vorschlaghämmern auf einen grossen Kübel voll Quietscheenten eindrischt.

Aber fast noch schwesternhafter als bei echten Schwestern, geht es zu und her, wenn zwei Drittel der RAndy-Kiddies bei H&M einfallen und das genau NICHT das weibliche Drittel ist. Einer braucht Klamotten und der andere berät ihn und holt ihm den ganzen Anprobierkram. „Hier, nimm das Hemd hier, da kommen die Muskeln am Oberarm voll gut zur Geltung“ – „Aber das ist SMALL!“ – „Egal, schau mal, wie die Mus…“ – „Muss das so sein, dass es vorne nicht zu geht?“. Also weg von Hemden zu Pullovern. Jetzt ist es aber so, dass natürlich (hallo Mädels), die Frisur beim An- und Ausziehen nicht kapuut gehen darf, also zieht man den Pullover Grösse SMALL (bei anderen gilt der Lerneffekt, hier gilt Blond) eben nicht einfach über den Kopf, sondern wurschtelt zuerst die Arme raus. Rrrrrtsch. „Ich nehm dann doch lieber den anderen“. Also doch zurück zum Hemd und das ward dann wohl rosa. Na gut, einen Versuch geb ich euch damit. Wenn die Frauen es gut finden, heisst das noch nicht, dass ihr darin gut ausseht. Vielleicht heisst es einfach, dass sie euch gut finden, aber denken, sie müssten euch erst umdrehen. Hm. Warum ist mir das nicht früher eingefallen. Beim nächsten Einkauf bin ich mit dabei.

Aktuell im Ohr: Scooter – One (Always Hardcore) (hab’s doch gesagt…)

2 Comments on “Bekennerschreiben

  1. "Lutsch mich" oder "leck mich" ? Letzteres wäre eher im Sinne von Götz – ersteres eher im Sinne des üblichen Keks, also vielleicht doch nicht den Kapseln zuzuschreiben….

  2. Danke für einen ganzen Abend mit einem ständigen Grinsen auf dem Gesicht ;) Ein Vergnügen Deine Texte zu lesen … Und ganz nebenbei, auf welchem Server spielst Du EQ, wenn Du noch spielst?

    Gruß

    Mirtana