Nachlese. Spätlese. Weinlese. Auslese.

Der keks steht vorn am Bühnenrand, macht wüste Gesten mit der Hand.

Am Freitag war ja noch was. Das Konzert von The Mission, das ich noch nachholen musste, weil mir das letzte jemand versaut hat. Nach nunmehr siebzahn Jahren also der Versuch, endlich ein Ziel zu erreichen. Nachmittags also ab und den Zug schnappen und nach Bern tuckern. Zuerst habe ich noch zwei Kollegen aus betreffendem Kanton gefragt, ob sie mir ein Medikament empfehlen könnten, das mich genug runterbremst, damit mich auch Berner verstehen können. Darauf wurde ich mit Erdnüssen beworfen, was mich wiederum an Schimpansen im Zoo erinnerte, die mit Nüssen nach Besuchern werfen. Egal. Aber die haben halt nun so einen Dialekt.

Also nach Bern und ab ins Hotel. Das hiess sinnigerweise Hotel Bern. Wenigstens nicht Hirschen. Im Zug bin ich schon fast weggedöst, also habe ich zuerst das Bett ausprobiert. Falsch, zuerst habe ich das Schokoladenherz vom Kopfkissen weggefressen und danach habe ich mich ausgebreitet und war sofort weg. Auch falsch, zuerst hatte ich den Wecker gestellt und dann. Hat gut getan. Eineinhalb Stunden später bin ich weckerlos aufgewacht und war fit wie ein Turnschuh. Nein, auch falsch. Naja, sagen wir Freizeitschuh. Wenn ich nun an einen Ort komme, der mir essensmässig unvertraut ist und ich habe danach noch etwas Wichtiges vor, dann riskiere ich keine Zwiebelattacke und gehe zu MäcDoof. War ich schon länger nicht mehr und überhaupt kann Globalisierung durchaus auch Vorteile haben. Ich bekomme auf der ganzen Welt bestimmt immer etwas Sicheres zu essen. Keine spezielle Gewürzmischung an den Pommes. Diesmal nur ultrazuviel Salz. Atlantik komprimiert auf eine Tüte. Konnte aber nicht an meiner Stimmung rütteln.

Zu Fuss dann los zum Bierhübeli (heisst tatsächlich so), an der Garderobe Jacke abgeben, das Mädel anstrahlen. Ein T-Shirt kaufen bei einer rothaarig gezopften Lack- und Lederbraut mit gepushupten Verkaufsargumentsverstärkern. Grinsen nicht verkneifen können. Zurück zur Garderobe und T-Shirt in Jacke stopfen lassen. Mädel anstrahlen. Ab zur Bar und ein Kinley bestellen und ich bekomm einfach mein Strahlen nicht aus der Fresse, dafür dass es ein düsteres Konzert ist ziemlich unpassend. Aber nicht so unpassend wie einige der anderen Besucher. Um es kurz zu machen, das Konzert war geil und ich stand tatsächlich am Bühnenrand. Ganz vorne. Und einen halben Meter hinter mir konsequente Mitgröler (je länger das Konzert, desto lauter und falscher und in totaler Unkenntnis der Lyrics). Die hätten irgendwann auch fast eine Prügelei angefangen, weil ein Bully seine Lady gegen Pogotänzer schützen wollte. The Mission ist nicht zum pogen geeignet, auch wenn Shades of Green in einer Speedversion gespielt wurde. Berner sind ein seltsames Völkchen. Besonders der Krawattenträger, der sich wohl im Büro entschieden hat, einen auf Böse zu machen. Der ging mir aber nur deswegen nicht weiter auf den Sack, weil er wie fast alle anderen hinter mir stand. Ausser dem Halbtaktklatscher neben mir, der das Rhythmusgefühl eines Spechts nach einem halben Kilo gärender Kirschen hatte.

Danach ging dann noch Party los. Genehmigte mir dann noch einen Vodka, habe mich gewundert, dass der Light Engineer kein fetter Bärtiger, sondern eine dralle Blondine mit High Heels und einer Art Strapsschnürstiefeln war. Ungewöhnlich. Nur die kettenrauchende DJane mit null Skills ausser ein paar zufällig geglückten Klassikerauflegern störte. Da reifte wohl auch in mir der Wunsch, endlich mein Musikzimmer fertigzustellen, um mein DJing wieder aufzunehmen. Wenn man mit keinem Können öffentlich auftreten darf, warum dann nicht mit wenig Können? Insofern ist viel passiert und ich kann das Weekend durchaus mit einem Prädikat „gelungen“ versehen, was jetzt nicht nur rein auf den Freitag bezogen ist. Aber das mögen andere Leute vielleicht anders beurteilen, ich weiss ja nicht, wie der Rest der Menschheit die Tage verbracht hat. Aber ich fand’s voll gut. Zeigt doch immer wieder, dass gut Ding Weile haben will.

Aktuell im Ohr: Kelly Osbourne – One Word (Kaum zu glauben aber wahr, das ist ein ziemlich cooles Album)

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