Das "Tage"-Buch historisch und hysterisch
Die ollen Krümel von früher
Ich war euch noch was schuldig und zwar den Bericht über unser Personalfest. Das war dieser Anlass, wo EmmWee unsere Seele (und unsere Körper) verkauft hatte und wir also an einem Festchen playbackmässig was machen sollten. Zur Erinnerung: Wir wollten ABBA imitieren und weil ich nicht das blonde Chick machen wollte (mir war Beine enthaaren da zu blöd) kam ich auf die grandiose Idee, wir machen Village People, denn wenn schon nicht Frau, dann wenigstens schwul. Wir haben auch brav geübt in einigen Mittagspausen, Hoobee konnte superschön sagen „On your positions, please“, Dafür kann er heute seinen Text noch nicht (und so einer ist Laienschauspieler… ah… drum vielleicht das „Laie“…). ER hat dann auch behauptet, die Choreografie müsse nicht so perfekt sein, das Publikum fände es viel spassiger, wenn man ein bisschen schnitzert. das sagte ER. Unser Chefschnitzer. The Master of Schnitzers. Tschäikb und ich versuchten mit Müh und Not, ihn etwas zu drillen, aber wahrscheinlich geht das ohne Reitgerte nicht. Dann hätte vielleicht mein Aufruf zu mehr Dynamik auch was gebracht. Bloss weil die alle schwul waren heisst das ja nicht, dass sie sich nicht trotzdem markig bewegen konnten. Ist ja keiner als Supertunti über die Bühne gehüpft. Dafür war dann EmmWee zuständig, die hat da was falsch verstanden. Klar machte sie den Indianer, aber wegen den paar Federn rumhüpfen wie ein aufgescheuchtes Huhn passte nun doch nicht ins Bild. Hat sich aber dann zum Besseren gewendet und sie versuchte sich als Holla, die Waldfee. Eigentlich hätte ich ihr gern die Schuhe an den Boden getackert, aber zum Auftritt hin war sie barfuss, das wäre leicht unschön geworden. Einer der beiden anderen Herren titulierte sie auch noch mit „Häuptling falscher Fuss“, DA war ich aber unschuldig dran. Beim vierten und letzten Training war ich dann aber schon leicht stolz auf die Truppe, denn wir haben es entgegen allen düsteren Wolken zum trotz geschafft, synchron UND im Takt zu sein. Also schauten wir froh, durchnässt und nervös den ominösen Tagen der Ausflüge entgegen (das geht in zwei Schüben, denn bei so vielen Mitarbeitern in einem 24-Stunden-Betrieb können ja nicht alle zusammen weg. „Hier, das Skalpell, schnippeln Sie mal eben selber, wir sind um Mitternacht zurück!“).
An besagtem Tag machte ein Teil den Nachmittagsausflug mit, aber zum ersten Apéro trafen wir uns dann alle in einem Gemeindesaal irgendwo in der Halb-Pampa und dort assen wir dann auch noch was. Hoobee musste natürlich das ganze Schüsselchen Pilzsauce fast alleine fressen, was er nachträglich aber bereute und am Folgetag nicht wiederholte. Ich gehe hier auf keine Details ein. EmmWee hingegen musste aus unerfindlichen Gründen ihre Hand in Kerzennähe halten, um dann einige LANGE Sekunden später festzustellen: „AU, das brennt!“. Habe ihr dann freundlich geholfen indem ich erst auf ihr Glas gedeutet habe, dann auf die Kerze und langsam erklärt habe: „Gucken! Wasser NASS, Feuer HEISS! Gut?“ Kurz darauf ging es ab in die Garderobe, wo wir und die anderen Auftretenden sich umziehen und schminken konnten. Da waren zum Beispiel Nancy & Frank Sinatra, Heintje, Nana Mouskouri, Mireille Mathieu, Andrea Boccelli & Judy Weiss und DJ Ötzi anwesend (also NACH dem Umziehen). Und eben wir, die schlimmen vier. Village People bestehen ja eigentlich aus sechs Personen, aber weil Smokey und Kenbo keinen Mumm hatten, mussten wir eben auf Vier reduzieren: Bauarbeiter, Polizist , Indianer und Biker. Wir bibberten dann etwas hinter der Bühne rum, weil wir ziemlich zum Schluss kamen, EmmWee legte 88 Mal ihre Kriegsbemalung neu auf, weil sie schwitzte wie ein Kameltreiber und ihr die Sosse durchs Gesicht lief. Wie die roten Farbschlieren auf Tschäikbs Hosen kamen wollen wir hier jetzt einfach mal nicht wissen. Die Auftritte vor uns waren schon mal recht lustig und das Publikum war angenehm vorgewärmt, da kam dann unser Auftritt. Entgegen allen anderen gingen wir aber nicht von hinten durch den Vorhang direkt auf die Bühne sondern fielen von der Seite ein mit DYNAMISCHEM Schritt und nachdem die ankündigenden Trompetenstösse von Y.M.C.A. schon einmal für euphorisches Gekreische gesorgt hatten. Aber das war noch gar nix! Die Brüller gingen dann richtig los, als wir rausstapften und unsere Kolleginnen und Kollegen vorgeführt bekamen, dass Leute bei IT alles andere als trocken und langweilig sind. Nach der Hälfte des Songs hatten wir die Hälfte des Publikums auf Tischen und Stühlen. Da ging die Luzi aber ab. Einzig die Pappnasen, die unsere Choreo durch aufdringliches Blumenüberbringen störten, die hätten wir gerne von der Bühne geschubst, denn schliesslich hatten wir uns nicht wochenlang eine durchgestylte Tanzeinlage ausgetüftelt, um die dann kaputt machen zu lassen. Die sind dann aber glücklicherweise wieder abgestoffelt, bevor auf der Bühne eine wilde Prügelei ausbrach. Aber mal so als Impression:

Und da hatten wir dann (also ICH auf jeden Fall) Blut geleckt und wir mutierten zu bühnengeilen Rampensäuen. Wir hatten so viel positives Feedback, dass wir am zweiten Abend noch einen drauf gaben (das Publikum übrigens auch, da standen dann nämlich ALLE – bis auf zwei, aber aus anstellungtechnischen Gründen sag ich jetzt nicht WER). Aber hey, mit einer Horde kreischender Therapeutinnen oder Radiologie-Assistentinnen direkt vor der Bühne, was soll man da anderes machen? RAndy, unser lieber Chef, geriet am Bühnenrand auch total aus dem Häuschen und ich glaube fast, vor lauter Stolz hatte er ein kleines Tränchen im Auge. Es war der Hammer. Noch Wochen später wurden wir angequatscht wegen dem Auftritt. WIr haben uns auch sofort für alle folgenden Ausflüge gemeldet und wir waren so drauf, wir hätten am nächsten Tag gleich nochmal alles durchgezogen. Und ich habe zwei Dinge gelernt: Schwarzes Leder kann SEHR warm sein und wenn mir EmmWee wieder mal ein Kostüm organisiert, das ähnlich durchdacht ist wie eine schwarze GEFÜTTERTE Lederjacke im SOMMER, dann binde ich sie höchstpersönlich an den Marterpfahl und peitsche sie mit einem Indianerkopfschmuck. Argh, verdammt, ich will auf die Bühne!
O.k., o.k., das Leben ist eins der Schwersten, aber FREIWILLIG PROJECT PITCHFORK HÖREN? Diese spätbubertierenden Einfaltspinsel? Ich beginne an dir zu zweifeln…