Desensibilisierung

Es ist nicht mehr wie früher. Früher war alles noch ein wenig anders. Der Sommer dauerte länger, der Schnee war weisser, die Frisuren beschissen, die Klamotten ein Hohn, die Möbel noch aus Rustikalbuche und (halb)nackte Frauen liessen einen noch erröten. Damals, da bewirkte ein tiefer Ausschnitt noch die Mutation zum MacGeifer, heute guckt man ja kaum noch hin. Ich erinner mich an meine unschuldige Jugendzeit, wo die Unterwäschestrecke im Kaufhauskatalog noch das Ereignis des Semesters war (gab immer nur eine Sommer- und eine Winterausgabe). Und dann kam die Reizüberflutung. Nackte Weiber an jeder Ecke, in jedem Magazin, in jedem Film, in jeder TV-Serie. Damals einen im Zug liegen gelassenen Playboy zu finden war wie Weihnachten und Geburtstag auf einmal, heute lässt man den liegen, weil es ist nichts Besonderes mehr. Inzwischen sind die nackten Mädels auf den Werbeseiten zahlreicher als die in den Bilderstrecken. Hab ich mir sagen lassen. Ich kauf sowas ja nicht. Auch nicht wegen der fundierten Reportagen und hintergründigen Interviews. Ich will Internet zurück wie es am Anfang war, mit reinem Text! Nicht auf jeder zweiten Seite ein Porno-Banner und in jeder eineinhalbten Mail eine Aufforderung, mehrere Quadratmeter Haut anzugaffen (wenn man es ausbreiten würde)! Nackt-Patch für Computerspiele? Also bitte. Es ist nicht so, dass ich verklemmt wäre oder prüde, nein nein. Ganz sicher nicht. Aber wenn ich jeden Tag den Apfelstrudel meiner Mama essen könnte (der ist superlecker), dann würde mir der auch bald zum Hals raushängen. Aber jetzt hätt‘ ich gern einen Strudel. DEN Strudel. Aber sofort!

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