Das "Tage"-Buch historisch und hysterisch
Die ollen Krümel von früher
Man mag es ab und zu bemerken, Musik ist mir wichtig. Da kann ich schwärmen, da kann ich schwelgen, da kann ich mich einfach auskoppeln. Entweder bei Musik, die ich gut finde oder bei welcher, bei der sich einfach nur die Ohren ausklinken um mich vor Schmerzen und bleibenden Schäden zu bewahren. Im Zweifelsfalle lauter singen als die Beschallung. Ausser vielleicht bei einem klassischen Konzert, das kommt dort nicht so gut. Selbst bei Mozart nicht. AMADEUS, AMADEUS! Besser nicht. Da vergeht den Platzanweisern das Musikgehör. Meinen musikalischen Geschmack gezielt zu umschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit, da mir FAST keine Sparte fremd ist. Das geb ich meinen Ohren denn auch und wenn ich Besuch habe, dann gibt es zwei Versionen: Zuhören und sich öffnen oder sagen „Was ist DAS denn“. Ich erwarte niemals, dass jemand meinen Geschmack teilt, ebenso wenig schleime ich jemandem vor, das was mir grade als akustische Errungenschaft des Jahrzents angeohrt wird, würde mich vor göttlicher Hingabe schmelzen lassen. Ich nehme mir die Freiheit zu sagen, es gefällt MIR nicht. Die gleiche Meinung räume ich auch anderen ein, aber abschätziges Gehabe kann ich nicht ab.
Lustigerweise schimpfen sich neue Trends (und deren Anhänger) immer sehr offen und tolerant, nur um nach einiger Zeit, wenn sich ihre Sparte etabliert hat, offen über alle anderen her zu ziehen, auch wenn sie aus eben jenen Sparten Wurzeln oder Samples bezieht. Toleranz in der Musikszene ist rar. Geht mal mit einem bunten T-Shirt an ein Wave-Konzert. Mit Anzug an einen Rave. Mit der Hose direkt unterm Bauchnabel an einen Battle. Mit allem ausser Wanderklamotten an einen Musikantenstadl. Obwohl dort jeder unter achtzig ja eigentlich schon deshalb aussieht wie von einem anderen Planeten. Ausgenommen vielleicht dieser Trompetenfutzi Mross und sein Dirndlchick, die Hertl. Die sind da ja schon als Kinder aufgetreten, hatten wohl keine Freunde, ausser später dann sich. Haben ja auch geheiratet und seit ich denken kann und aus Langeweile in einem Wartezimmer eine „Herz für die Glückpost für die Frau mit Herz“ zur Hand nahm, da haben die Eheprobleme. Vorletzte Woche beim Friseur, da lag eine „Post für die Frau mit Herz von Gestern“ und nach einem Blick aufs Titelblatt dachte ich, der Fetzen müsste zwanzig Jahre alt sein. „Mross und Hertl – Ihre Ehe noch zu retten?“ Seid IHR noch zu retten? Die fetzen sich seit Jahren ununterbrochen, was bitte soll da zu retten sein? Vielleicht sollte einfach zur Abwechslung SIE einmal blasen, damit ER jodelt. Oder er zieht das Dirndl an.
Apropos Jahre: Ich denke, alle, die gerne Musik geniessen, die gehen auch ab und an zu einem Konzert, weil dort die Atmosphäre eben auch mitspielt und das ein richtig geiles Erlebnis sein kann. Dabei gibt es Bands oder Künstler, die WILL man live sehen, bei anderen ist es auch in Ordnung, wenn nicht. Dabei ist es einem teilweise nicht vergönnt, weil ein wichtiger Teil der Band plötzlich die Harfe spielen geht. Andere Bands verkrachen sich und reden bis zur überteuerten Revival-Tour dreissig Jahre später nicht mehr miteinander. Oder sie gehen einfach nie auf Tour. Entsprechend stärker wird der Wunsch, die dann auch zu sehen und plötzlich, ja plötzlich steht im Konzertanzeiger: SIE KOMMEN. Nun gibt es als Grundsatz falsche Konzerte mit den richtigen Leuten. Da hat man fehl gegriffen, oder die können live nicht spielen, aber man hat feine Menschen bei sich und man kann sich wenigstens leicht betrinken und sich über wen auch immer lustig machen. Dann gibt es die richtigen Konzerte mit den falschen Leuten, wo man sich tierisch drauf freut, aber die Begleitung sich wie ein komplettes Arschloch benimmt, dass einem die Freude schon vor dem Eingang flöten geht, egal ob man fünfzehn Jahre auf das Konzert gewartet hat.
Dann gibt es noch die Konzerte mit cooler Musik, aber keinen Leuten, grade wenn man wie ich Sachen hört, die aber keine der Säue, die man kennt kennt. Das macht es dann nicht einfach, wenn ich nicht alleine hin will. Kommst du mit zu (hier unbekannte Band einfügen)? – Was ist denn das? – Das ist eine Band. – Was spielen die denn? – Musik. – Ja, aber was denn? Kenn ich die? – Offensichtlich nicht. Also von denen ist (hier mehrere unbekannte Titel obiger Band einfügen). – Kenn ich nicht. – Die spielen oft zusammen mit (hier andere unbekannte Band einfügen). – Was spielen denn DIE? – Ach, vergiss es, ich geh alleine. Und zu guter letzt gibt es die richtigen Konzerte mit den richtigen Leuten. Die auch bei Songs, die sie nicht kennen einfach mal zuhören können. Nicht dauernd meckern. Dann hat man Spass. Begeisterung teilen können. Und irgendwann ist im Musikerjenseits ein Gitarrengott gnädig und schickt eine Band nochmals auf Tour, deren Konzert man beim ersten Mal (nach fünfzehn Jahren) nicht geniessen konnte. Und man geht auf eine Mission um den Glauben an das richtige Konzert wieder her zu stellen. Ticket kaufen, durch die halbe Schweiz fahren (ja ist gut, ist nicht weit), Hotel buchen und wissen, diesmal wird gut. Sinnigerweise ist es The Mission. In Bern. In einem Monat. Und wer weiss, vielleicht schunkelt der kleine keks dort sogar mit richtigen Leuten.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Whirlie Pool für die Hilfe beim Hotelsuchen.